Sasi Savvy

Es ist Ebbe und die Dorfbewohner waten im Morgengrauen durchs Wasser um Muscheln und Krebse zu fangen und den einen oder anderen Fisch mit Speeren zu erlegen. Kinder sammeln ebenfalls alles was Ihnen in die Finger kommt. Mädchen sammeln Muscheln, während die Jungs zwischen Felsen und Korallen versuchen Fische mit den bloßen Händen zu erwischen. Manchmal kommt es allerdings auch umgekehrt und so schafft es ein wehrhafter Fisch einem der Jungs gleich mehrmals in die aufgeweichte Handfläche zu beissen. Das Geschrei ist groß und der Junge rennt blutend zurück ins Dorf Ohoililir. Da dieses sowieso auf meinem Wege liegt frage ich nach dem Weg zum Haus der Familie und finde den Jungen weinend im Arm seines Vaters auf der Veranda, Nachdem ich mein Erstehilfe-Set ein weiteres mal etwas erleichtert habe mache ich mich auf den Rückweg zu meinem Guesthouse, den Coastercottages.
Hier hat sich in den letzten Tagen eine sehr lustige Truppe aus einer Hand voll Holländern, Deutschen und Engländern zusammengefunden und wir beschließen in den nächsten Tagen mit dem Boot zu einigen Inseln zu fahren. Am weißen Sandstrand von Pasir Panjing gibt es nicht wirklich viel zu tun, ausser zu lesen und am Strand zu liegen und Sonnen Untergänge zu bestaunen. Einzig mit dem Boot zum Fischen hinauszufahren ist noch etwas, das den Namen Beschäftigung verdient und es gibt einige Höhlen mit natürlichen Swimmingpools auf der Insel.
Eigentlich unerklärlich, warum es auf den Inseln bislang so wenig Tourismus gibt. Verglichen mit den Banda Inseln herrscht hier geradezu Stau am Flugverkehrshimmel. Wings Air fliegt zweimal am Tag und Trigana Air einmal von Ambon, allerdings mit den kleineren Turbopropellermaschinen. Die Landebahn scheint auch mit dem Zollstock ausgemessen worden zu sein, oder der Asphalt war irgendwann aufgebraucht.
Dennoch, es gibt nur einige Beach Bungalows auf der Insel Kei Kecil, keine Tauchbasis und ansonsten eigentlich nur Strand soweit das Auge reicht. Nur am Wochenende, wenn die Einheimischen nachmittags nach der Kirche mitsamt Karaoke-Anlage an die Strände strömen, ändert sich die Strandidylle für ein paar Stunden. Dann bevölkern ausgelassene Kinder den Strand, spielen und baden mit LKW Schläuchen oder auch schon mal mit Seeschlangen, wobei sich mir die Nackenhaare sträuben. Seeschlangen mit dem Stock aufzufischen und sie am Schwanz zu halten ist einfach keine gute Idee. Zum Glück passiert jedoch nichts. Obwohl der Großteil der Bevölkerung christlich ist, gibt es noch eine Vielzahl von voodooähnlichen Bräuchen und Glauben. So existiert ein starker Glaube an Sasi Savvy, eine Art Zauber oder magischen Bann, den niemand zu brechen wagt. So wird seit Generationen sichergestellt, dass Kokosnüsse gestohlen werden oder während Fische während der Schonzeit gefangen werden.
Allerdings nimmt dieser Zauber bisweilen auch bizarre Formen an. So wurde bereits die Brücke zwischen Tual und Langgur mit einem Sasi belegt, was zur Folge hatte, dass niemand mehr es wagte die Brücke zu überqueren. Ein einzelner Zweig der Janurpalme als Zeichen des Sasi brachte somit den gesamten Bemo Verkehr zum Erliegen. Sehr zur Freude der Fischer und Bootsleute die den Transport mit Booten übernahmen. Die Stadtverwaltung sah sich gezwungen, den Spuk mit einer aufwendigen Sasi-Befreiungs-Zeremonie zu beenden. Ein weiterer Sasi wurde vor einiger Zeit über den Zugang zu den Regierungsgebäuden ausgesprochen, so dass kein Mitarbeiter zu Arbeit erscheinen konnte. Auf vielen Inseln gibt es wenn überhaupt nur ein oder zwei Dörfer. Auf der Suche nach Trinkwasser haben wir mit dem Boot auf einer der Inseln angelegt und im Dorf nach Wasser gefragt. Von Kiosk zu Kiosk zogen wir dann, eine immer größer werdende Gruppe aus Einheimischen im Schlepptau, bis sich fast das halbe Dorf und der Dorfvorsteher, der Kepala Kampung, zusammengefunden hat. Abgepacktes Trinkwasser findet sich zunächst nicht und auf die Brunnen ist kein Verlass. Schließlich findet sich ein Karton mit kleinen abgepackten Plastikbechern voll Wasser, den wir bezahlen. Während wir zurück durchs Wasser zum Boot waten, begleitet uns die bunte Kindergefolgschaft zu Fuß und auf Fahrrädern nebenan auf dem alten Holzpier.

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