Die morgendlichen Besucher umrunden den Schrein des Gang Shyamji Tempels mehrmals im Uhrzeigersinn, hinterlassen ein kurzes Gebet an verschiedenen mischen und Öffnungen, bevor sie an der offenen Front vor der Krishna Statue im Gebet versinken.
Der Zeremonienmeister wiegt sich zum Gesang vom Tonband und verteilt zusammengerollte grüne Blätter an die Betenden. Mit einer angemessenen Spende entschuldige ich mich bei Krishna für meine Anwesenheit und sogleich wird auch mir ein Segen in Form eines grünen Blätterpäckchens zuteil. Man deutet mir, dieses zu kauen. Ein ätherischer Geschmack mischt sich mit dem von Pflanzensaft und etwas Schärfe, und nach einigen Minuten breitet sich ein belebendes Gefühl aus. Auf jeden Fall spannender als gesegnetes Esspapier in heimischen Kathedralen. Ich deute das Kribbeln großzügig dahingehend, dass Krishna meine hundert Rupien angenommen hat.
Menschen bei der Ausübung ihrer Religion zu fotografieren erfordert immer viel Fingerspitzengefühl und Zurückhaltung. Nachdem ich die erste halbe Stunde nur beobachtet habe, bin ich offenbar soweit akzeptiert, dass ich einige sehr persönliche Fotos machen kann, ohne dabei beachtet zu werden. Ich habe aber sehr viele Fotos gerade eben aus Rücksicht nicht geschossen .
Nach einer Stunde wird Krishna wieder feierlich mit einem rot-goldenen Tuch verhüllt. Die Zeremonie ist vorüber und ich finde mich beseelt von Krishna Kautabak in den überfüllten Gassen von Jodhpur wieder. Auf dem Weg zur Mehrangarh Festung, die uneinnehmbar über dem blauen Häusermeer tront, bestaune ich aufs neue das geschäftige Treiben in diesem bunten Straßentheater, das so vielen fremden Regeln und Bräuchen folgt undmit Menschen die tagtäglich in den seltsamsten Nischen dieses Kosmos einer Tätigkeiten nachgehen, und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten.
Selbst im alten Uhrenturm von Jodhpur sitzt ein betagter Uhrwächter und wacht über die Zeit mit einem Ölkännchen und einer Kurbel, mit der er alle paar Stunden die Gewichte der altehrwürdigen Londoner Uhrwerks gewissenhaft nach oben kurbelt. Damit die Zeiger sich weiterdrehen. Im Uhrzeigersinn.