Die Autobahnauffahrt ist wegen eines Unfalls gesperrt. Ich suche noch etwas unsicher den Schalter für den Allradantrieb. Alle Costa-Ricaner mit genügend Bodenfreiheit fahren nämlich an der Polizei vorbei die Böschung hinunter auf die Autobahn. Bienvenido a Costa Rica!
Die halbe Stunde Berufsverkehr in San José bestärken mich in meiner Entscheidung, die erste Nacht zunächst in Santa Ana in der Nähe zu verbringen und etwas Schlaf nachzuholen.
Die Einreise nach Costa Rica war verglichen mit Kuba ein Spaziergang. Keine Fragen zu Ebola, zu meinen Beziehungen zu den USA oder zu Terrororganisationen, niemand interessiert sich dafür wo ich wohne und wie viel Geld ich dabei habe. Stempel in den Pass und gut. Telefonkarte, Geld, Internet und Allradfahrzeug ist alles innerhalb der nächsten Stunde organisiert und schon stellt sich die Frage, was nun?
Ich muss gestehen, dass ich keine feste Route geplant habe und ich noch nichtmal weiß ob ich Richtung Norden oder Süden fahren soll. Ich brauche zunächst Informationen über die Wetterlage in den Regionen und ein paar Reisetips. Diese bekomme ich schließlich von meinem Hotelbesitzer bei einer halben Stunde Gedankenaustausch über der Reliefkarte des Landes. Er hält es für klüger zunächst Richtung Süden zu fahren, da die Peninsula de Osa mit seinem Corcovado Nationalpark und seiner abgelegenen Bucht, Bahia Drake nur wenige Unterkünfte bietet und schnell voll ist. Die Hauptsaison hat gerade erst begonnen. Ich hätte gerne noch ein wenig mit der Reise dorthin gewartet, da das Wetter zu dieser Zeit noch sehr regnerisch ist und die einzige Piste nach Bahia Drake durch drei Flüsse führt, die bei Regen unpassierbar sind. Selbst wenn ich auf dem Hinweg durchkomme, könnte ich auf dem Rückweg dort für Tage festhängen. Ich werde also das Auto für ein paar Tage in Sirene stehen lassen und mit dem Boot durch die Mangroven nach Bahia Drake fahren.
Da ich jedoch nicht den ganzen Tag im Auto verbringen will um nach Sirene zu gelangen werde ich ein paar Zwischenstops auf dem Vulkan Irazú und in den Bergen einlegen. Die Nebelwälder rings um den Cerro de la Muerte, den Berg des Todes, liegen etwa drei Fahrstunden von San Josés und sind nicht so überlaufen wie andere Nationalparks im Norden. Der Name geht zurück auf Zeiten als hier noch keine Straße über den Berg führte und viele Menschen bei gefürchteten Wetterumschwüngen ihr Leben ließen. Die Interamerikana die sich hier durch Nebel und Wolken bis auf 3400 m hinaufwindet, ist jedoch auch von Kreuzen flankiert und mitunter sehr anstrengend zu fahren.
Die wenig tieferliegenden kühlen Wälder an der Flanke zur Pazifikseite sind hingegen Heimat unzähliger Vögel, allen voran den Quetzal, dem bunten Nationalvogel Guatemalas, der auch in Costa Rica in wenigen Gegenden zu beobachten ist. Der Quetzal ist praktisch nur zu beobachten, solange die Sonne nicht über die Bergkuppe gewandert ist. Der prachtvolle Vogel ist nämlich ein wenig Sonnenscheu. Vielleicht hat er Angst, dass sein Gefieder ausbleicht, was bei den Damen vermutlich nicht gut ankommt. Ansonsten ernährt er sich von Beeren und wilden Avocados.
Hier verbringe ich also die Nacht, mit warmer Bettwäsche und Heizung in meiner Holzhütte, mit der Gewissheit, meinen Sonnenaufgang mit einer Gruppe amerikanischer Hobby-Ornithologen zu teilen. Irgendwie haben mich Vögel jedoch noch nie wirklich fasziniert. Vielleicht kommt das noch, denke ich, als ich am Morgen zu der Gruppe stoße, auch. Ich muss jedoch gestehen, dass ich ein paar Stunden und hunderte fehlbelichtete Fotos später, den Viechern eine gewisse Faszination nicht absprechen kann. Aber deswegen werde ich auch zukünftig nicht um fünf Uhr morgens aufstehen um ein paar gesichtete Schwanzfedern in meinem Notizbuch zu vermerken.
Am Mittag verlasse ich den Nebelwald um vor Einbruch der Dunkelheit in Sierpe anzukommen. Wasser fließt in Strömen vom Himmel und die rutschige Bergstraße hinab. Sierpe und der Fluss auf dem es morgen weitergeht empfangen mich mit Hitzegewittern und unzähligen Moskitos. Die ist also das Tor zum Regenwald auf der Halbinsel.
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