Die ersten Sonnenstrahlen fallen auf Gesichter und Hautfarben in allen Schattierungen, bunte Tücher, Saris, Turbane und andere Kopfbedeckungen, Obst und Gemüse für die Küche, Blütenmeere für den Tempelbetrieb. Der Obst und Gemüsemarkt von Jodhpur ist ein bunter Zirkus voll von gestandenen Händlern, Akrobaten die mit ihren Teekannen, Käufer und Verkäufer am Morgen bei Laune halten und Träger, die mit Ihren Karren geschickt durch die Gassen manövrieren.
Ich bin in dieser Manege so etwas wie der Clown, über den man lautstark lachen kann wenn er versucht indische Vornamen auszusprechen. Kurz, eine willkommene Abwechslung mit einer Kamera in der Hand, die zuerst die jungen Wilden zum Posieren motiviert und später auch den Alten ein Porträt entlocken kann.
Zugegeben, zu Beginn hätte ich den Markt beinahe rückwärts wieder verlassen, bei soviel fremden Gesichtern, aber letztendlich habe ich zwei Stunden lang mit bester Laune fotografiert, unzählige Hände geschüttelt, gelacht und mit wildfremden Menschen Tee getrunken und fremde Früchte bestaunt. Allein dafür hat sich mein Ausflug zum Sonnenaufgang heute schon gelohnt.
Ich bin nun bereits den zweiten Tag in der blauen Stadt Jodhpur, dessen blaue Fassaden der Häuser am Fuße des mächtigen Forts an die Zugehörigkeit zur Kaste der Brahmanen erinnert.
Opium, Sandelholz und Kupfer, Datteln und andere Früchte habe ihr früher auf der Karawanenroute durch die Wüste Thar den Reichtum gebracht, von dem sich überall heute noch Zeugnisse finden.
Die Straßen und Gassen sind so chaotisch wie wahrscheinlich überall in Indien. Was die vierbeinigen Verkehrsteilnehmer anbelangt, so muss man sich neben den üblichen Straßenhunden, Kühen und Ratten auch mit Eseln, Kamelen und Elefanten arrangieren, wobei letztere offensichtlich weniger lautstark angehupt werden, auch wenn es mal wieder gar nicht weiter geht.
Im Stau bemerkt man zumindest die unzähligen kleinen Geschäfte und Handwerksbetriebe, die meist über Generationen in Familienbesitz sind und das Handwerk vom Vater auf den Sohn übergeht. Frisöre, Schuster, Parfümverkäufer, Schmuckhersteller, hier findet sich alles was man sich vorstellen kann.
Etwas außerhalb der Mauern um die blaue Stadt finden sich die Krematoriumsplätze, die für jede Kaste an einem anderen Ort stehen. Auf dem Gelände, zwischen den Krematoriumsplätzen wohnt eine Familie, die ihr einziges Einkommen dadurch bestreitet, Feuerholz zu trocknen, zu verkaufen und für die Totenverbrennung aufzuschichten.
Weiter draußen vor der Stadt, befinden sich Steinbrüche und Betriebe, die daran verdienen. Wanderarbeiter aus den Dörfern hauen Steine zurecht, große Sägen teilen die dicken Blöcke in Platten, die zum Verkauf weitertransportiert werden. Buchstäblich ein steiniger und gefährlicher Weg seine Familie zu ernähren.
Eine Sorge, die dank staatlicher Hilfen in Deutschland keine wesentliche Rolle spielen sollte, hier aber für jeden jungen Mann eine ganz existenzielle Bedeutung hat. Wer keine Familie ernähren kann, wird wahrscheinlich auch keine Frau finden. Auch wenn Rajasthan ein wohlhabenderes Bundesland ist, darf man nicht vergessen, dass trotz Wirtschaftswachstum in Indien Jahr für Jahr immer noch weit mehr als eine Millionen Kinder an Hunger sterben.
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