Etwas verloren wirkt er, der Taschenkrebs der mit seinem Schneckenhaus auf einem Holzbalken in der Dschungeltoilette hockt. Ich frage mich wie er da wohl raufgekommen ist, der Krebs offenbar eher danach, wie er wieder herunter kommt. Jedenfalls scheint er mich mit seinen Stielaugen hilfesuchend anzuschauen. Aber solange Taschenkrebse nicht so erbärmlich maunzen können wie verirrte Katzenbabys, kommt diese Mitleidsmasche nicht bei mir an. Somit bleibt ihm heute Nacht noch die Wahl zwischen klettern und springen.
Ich für meinen Teil klettere für heute in meine Strandhütte im Mankur Kordon Homestay auf der Insel Kri um mich vom Tauchen zu erholen.
Vor ein paar Tagen habe ich Waigeo mit einem kleinen Boot verlassen um die nächsten Tage ein paar andere Korallen vor der Haustür zu haben. Und dieser Ort ist mir schon vom Tauchboot aufgefallen. Eine kleine Bucht mit Sandstrand und türkisfarbenem Wasser, eine Hand voll Bambushütten auf Stelzen, ein Kompressor für die Tauchflaschen und eine indonesische Familie, die drei leckere Mahlzeiten zaubert. Mehr braucht man nicht. Strom gibt es natürlich nur am Abend, wenn der Generator läuft, das Trinkwasser schmeckt nach Rauch vom Abkochen über dem Feuer und fließend kaltes Wasser gibt es nur wenn man es sich mit der Schöpfkelle übergießt. Dafür entschädigen dann unberührte Korallengärten mit unzähligen Fischen und Schildkröten, die vor der Haustür schwimmen.
Neben den Hütten meines Homestays, in dem neben mir noch vier Franzosen wohnen, hat sich eine Forschergruppe eingerichtet, die seit einigen Monaten verschiedene Abschnitte des Riffs erfasst und in den nächsten Jahren die Veränderungen erforschen wird. Ein weiters Projekt ist wohl die weitere Erforschung der Lebensweise der Mantas. Überspitzt formuliert heißt das, den ganzen Tag tauchen und schnorcheln, Abends in der Hängematte am Laptop Berichte schreiben und dummerweise tragen sämtliche Kolleginnen Bikini, weil es so heiß ist. Es gibt eindeutig schlimmere Jobs.
Ich bin tagsüber meist auf Tauchgängen mit dem kleinen Boot vom Homestay und schwer beeindruckt, wie viel verschiedene Tiere auf jedem einzelnen Tauchgang zu sehen sind. Riffhaie sind fast immer zu sehen ebenso wie Teppichhaie, Schildkröten, Seeschlangen, Barrakudas und große Büffelkopf-Papageienfische. Soviel Nacktschnecken wie hier hab ich bislang nirgends gesehen. Nachts kommen dann die Rotfeuerfische, Muränen, Kegelschnecken und zahlreiches Getier hervor um zu jagen, ebenso wie die Haie, die tagsüber mehrheitlich schlafen.
Das Unterwasserfotografieren ist immer noch Neuland für mich und ich habe in meinem Leben noch nie so viele schlechte Fotos gemacht, wie in den letzten Tagen. Schon nach wenigen Metern Tiefe fehlt die Farbe Rot vollständig. Teilweise kann man das mit einem Rotfilter oder später am Computer korrigieren. Das klappt aber nur bis etwa 7 Meter Tiefe einigermaßen zufriedenstellend.
Danach hilft nur noch der Unterwasser-Blitz den ich mir auf Ebay ersteigert habe. Und da fängt das Drama dann an. Der Blitz arbeitet nur manuell und ich muss bei jeder Aufnahme Blende und Blitzleistung einstellen. Das Ganze bei Strömung, stabiler Tarierung und zunehmender Stickstoffnarkose. Wenn zehn Prozent der Bilder etwas taugen ist das optimistisch angesetzt, aber wenn alles stimmt ist der Blitz Gold wert! Die Sonne und die einsamen Sandstrände machen träge und außer tauchen und schnorcheln gibt es nicht viel zu tun. Aber damit komme ich für ein paar Tage ganz gut klar. Die Tauchspots vor den Mangroven habe dann aber doch ausgelassen. Dort wurden in den letzten Jahren schon Krokodilangriffe auf Taucher verzeichnet und bei Salzwasserkrokodilen hört der Spaß eindeutig auf. Am Ende der Insel Gam soll es auch eines geben, das allerdings wohl ortstreu ist. Im klaren Wasser mit Sandstrand davor, sind die Biester nicht unbedingt zu Hause, aber im Mangrovensumpf sind die Leistenkrokodile in ihrem Element. Die Einheimischen wissen aber meist eh am besten, wo in letzter Zeit eines gesehen wurde.
Die einzigen Echsen die hier lauern sind die Bindenwarane, die stets leise um die Küche herumschleichen, solange bis sie von einem der Hunde auf die Bäume gejagt werden.
Vier Tage sind nun mit ständigem Meeresrauschen im Ohr wie im Flug an mir vorüber gegangen. Heute früh bin ich zunächst zum Inselfriedhof am Strand gegangen. Die Gräber werden in den Sand gegraben, mit Tüchern abgedeckt und mit Stein- oder Betonbegrenzungen und einem Dach aus Wellblech oder Blättern versehen. Aufwendigere sind mit Kacheln und Fliesen verziert. Wie nicht anders zu erwarten, gibt es viele sehr kleine Gräber hier mit Spielzeug und Kuscheltieren. Ich bin extra erst am Sonntag hierher gekommen, wenn das Dorf geschlossen in der Kirche zum Gottesdienst ist. Gefolgt ist mir nur der Anführer des Hunderudels, der den ganzen Spaziergang am Strand in meiner Nähe geblieben ist. Am Nachmittag muss ich noch schnell meine Wäsche waschen – der Abreisetag rückt näher. Diesmal ganz klassisch mit Handwaschmittel, nachdem die letzte Wäsche im vorherigen Homestay einen üblen Ausgang genommen hat. Ahmat ist seit einiger Zeit stolzer Besitzter einer 10 Kilogramm Toploader LG-Waschmaschine. Leider kann seine Frau die vielen Knöpfe nicht bedienen und er nicht mit Bleiche umgehen und so nahm das Drama sein Lauf als er nachmittags stolz den Generator gestartet hat, um meine Wäsche fachmännisch zu… zerstören. Mein tragbarer Kleiderschrank ist mittlerweile jedenfalls etwas flacher. Aber Kleidung brauche ich hier nicht allzu viel.
Ich hoffe, dass ich dann morgen wie geplant mit dem Boot nach Waisai fahren kann. Benzin ist manchmal Mangelware in dieser Inselwelt.