Das Motorrad sicher durch den dichten Morgenverkehr von Pakse zu manövrieren erfordert etwas Geschick und noch mehr Glück dazu. Am Vortag habe ich meine Insel im Mekong schon wieder verlassen. Zu viel Einsamkeit auf einmal. Lieber möchte ich die entlegenen Südostprovinzen Saravan, Xekong und Attapeu bereisen. Mit dem gemieteten Motorrad geht es daher früh am Morgen in Richtung des Bolaven Plateau. Mein Loose-Reiseführer lobt das milde Klima, in dem verschiedenen Kaffeesorten gedeihen. Mir ist jedoch trotz Fleece-Pullover primär einfach nur kalt in der Morgenluft und von Milde daher keine Spur. Dafür reihen sich Bananenplantagen, neben Kautschukbäumen und Mangos und wenige Kilometer abseits der asphaltierten Straße stürzen abenteuerliche Wasserfälle in die Tiefe. Mit offenen Augen lassen sich einige schöne Kreaturen aufspüren , wie diese harmlose Stachelspinne. Auf den Straßen trocken derweil Chilischoten für den laotischen Feuertopf. Ein Provinzkloster bereitet sich gerade auf ein großes Fest, zu wessen Ehren auch immer, vor.
Buddha ist groß, groß müssen auch die Lautsprecher zu seinen Ehren sein. Ein gesprächiger Mönch führt mich etwas herum und scheint froh dass sich mal ein Ausländer hier her verirrt. Er entlässt mich mit ein paar Orangen in der Hand und einem Segen, der allerdings nicht lang halten soll. Meine Pläne, am selben Tag noch bis nach Attapeu vorzudringen, platzen sprichwörtlich in Form meines Hinterrades. Zum Glück ohne Sturz, aber natürlich irgendwo am Arsch der Ewigkeit. Ich schiebe also zurück ins letzte Dorf, das ich durchfahren habe und der halbe Schulhof zeigt ,wie auf Kommando, in Richtung einiger Behausungen in der nächsten Kurve. Gut, da soll es also jemanden geben, der sich mit Reifen auskennt. Der Reifendoktor ist in Südostasien ein wichtiger Mann, nicht wirklich angesehen und erst recht nicht reich, aber er wird immer gebraucht. Mein Reifendoktor schüttelt jedenfalls mit ernster Mine den Kopf als er den breiten Metallspan mit der Zange aus dem Reifen zieht, der im Inneren stark gewütet hat. Als wollte er sagen „Ihr Reifen ist todkrank, egal welche Therapie, er hat nur noch zehn Kilometer zu leben“. Leider ist mit Englisch hier wahrlich Endstation und mein Laotisch beschränkt sich auf Höflichkeitsfloskeln. Also muss mein geliebtes Ohne-Wörter-Buch zusammen mit Händen, Füßen und einem geduldigen Lächeln die Regie übernehmen.
Einen neuen Schlauch für meine Suzuki hat er nicht vorrätig, er hat überhaupt nur einen Ersatzschlauch vorrätig. Ich schlage vor, es zumindest mit Flicken zu probieren, was dann kopfschüttelnd auch in zwei Anläufen passiert. Die Operation beginnt mit dem Freilegen des Schlauches aus dem Mantel. Die schadhafte Stelle wird mit Schmirgelpapier aufgerauht und ein passender Flicken zurecht geschnitten. So wie man es vom Vater zum Fahrrad-Flicken beigebracht bekommen hat. Aber mein Gegenüber ist kein Flickschuster, nein er ist ein Vulkaniseur!
Die selbstgebaute Konstruktion besteht aus einem umgedrehten Bügeleisen, einer Schraubklemme und einem Holzblock. Etwas Papier schützt vor zu viel Hitze. Nachdem alles eingespannt ist, wird das Bügeleisen aufgeheizt. Ein Spritzer Wasser auf die Heizfläche verrät, wann die Temperatur stimmt und auf die Schnelle der Stecker gezogen werden muss. Nun muss eine Zigarettenlänge gewartet – nein vulkanisiert – werden, dann ist das Werk perfekt. Eineinhalb Stunden und einen zusätzlichen Flicken später habe ich wieder Asphalt unter den Reifen und zahlreiche Reifendoktor-Kinder spielen mit bunten Luftballons.
Vor Sonnenuntergang erreiche ich die Provinzhauptstadt Xekong und bin noch nicht sicher ob ich an meinen Plänen für den nächsten Tag festhalten werde. Ich brauche eine Nacht Schlaf für einen klaren Kopf. Der anstrengendste und unsicherste Teil der Route liegt noch vor mir.