Ruhig lässt sich der Büffel an seinem Nasenring durch das kleine Dorf führen. Eines der vorderen Hufe wird an den tief in den Boden geschlagenen Pflock gebunden. Vor dem Haus des Verstorbenen, vor dem kleinen Altar mit christlichem Kreuz. Arglos steht das Tier neben einem bereits abgetrennten Büffelkopf.
In dem kleinen Bergdorf findet heute eine Begräbnisfeier statt. Der Verstorbene wird heute auf seine Reise nach Puya geschickt. Er hat ein ansehnliches Alter erreicht und hat ein einfaches Leben geführt. Vor einigen Monaten ist er gestorben. Dies ist eine kleine Feier, bei der alle erforderlichen Rituale an nur einem Tag durchgeführt werden. Einige Dutzend Menschen sind bereits versammelt, die meisten Gäste werden aber erst im Laufe des Vormittags erwartet.
Der Begräbnistag beginnt früh, für den angebundenen Büffel wird er auch früh enden. Die Familie hat mich und meinen Guide zu ihrem Haus gebeten und uns mit Kaffee und frittierten Bananenchips versorgt. Eine Stange Zigaretten dient als Gastgeschenk und ich bemühe mich die Zeremonie nicht zu stören während ich fotografiere. Der Sarg des Toten im Haus hinter uns ist bereits so ausgerichtet, dass der Verstorbene in die richtige Richtung blickt. Ohne Misstrauen reckt der Büffel den Kopf, dem Zug des Seiles folgend. Eine vertraute Bewegung. Die Klinge durchtrennt den Hals des Tieres mit einem einzigen Schlag, Blut schießt in Freie. Das massige Tier macht einen erschrockenen Satz in die Luft, doch das Seil am Pflock hält es zurück. Knochen brechen beim Aufprall auf den Boden. Der Bulle versucht nochmal auf die Beine zu kommen, sackt jedoch zusammen und fällt auf die Seite. Noch pumpt das Herz sein Blut, das als Schwall aus den durchtrennten Halsschlagadern fließt. Mit einigen große Bambusrohren wird das Blut aufgefangen um später darin am Feuer zu gerinnen. Gras vermischt sich mit tiefrotem Schlamm, die Augen des Büffels blicken starr in Richtung eines weiteren Tieres, das ebenso ruhig und ohne Argwohn seinem Besitzer zum Opferplatz folgt. Drei Büffel und zahlreiche Schweine werden heute als Opfer gebracht um der Seele des Verstorbenen den Weg nach Puya zu ermöglichen.
Die Schweine sind auf dickem Bambus festgebunden und werden liegend mit tiefen Schnitten in den Hals getötet, wobei ebenfalls die Aorta durchtrennt wird. Die Büffel sterben stumm, wohingegen die Schweine minutenlang schreien bevor sie verblutet sind. Eine Stunde braucht es hingegen, um einen Büffel vollständig zu zerlegen. Nachdem das Fell abgezogen wurde, beginnen die Männer geschickt mit dem Zerteilen des Tieres, der Länge nach. Die Gedärme werden in einen Sack gestopft, essbare Innereien wie die Mägen des Tieres vom grünen Inhalt befreit und ebenfalls zerteilt. Das Fleisch des ersten Tieres wird in einem großen Stahlbehälter über offenem Feuer gekocht und den Gästen später serviert. Die übrigen Tiere werden ebenfalls zerteilt, das Fleisch jedoch später unter den Nachbarn und Gästen aufgeteilt.
Das Opferritual erscheint grausam und fremd, ist jedoch tief verwurzelte Tradition bei den Toraja und im Rahmen der hier so wichtigen Totenfeier ein buntes Familienfest. Hochzeiten sind bei den Toraja keine aufwendigen Feiern, sie dauern gerade einen Tag. Dem Verstorbenen den Weg zur Wiedergeburt zu ermöglichen ist familiäre Pflicht und ein geradezu freudiges Ereignis, das viele Tage dauern kann. Auf meiner Reise durch Torajaland habe ich eine Prozession gesehen, bei der ausgelassen gelacht und gescherzt wurde. Der Sarg auf seinem Tragegestell wurde geschaukelt und fallengelassen. Die Träger haben sich lachend mit Schlamm beworfen bevor die Prozession lautstark in Richtung Grab marschiert ist. Der Übergang ins Jenseits hat hier fast einen höheren Stellenwert als das Leben selbst.
Auf der zweiten Beerdigung auf der ich heute zu Gast sein durfte, haben die Kinder mit heliumgefüllten Luftballons am Sarg ihrer Großmutter gespielt und es wurde viel gelacht. Es wurde Tee und Kaffee gereicht, alle Gäste wurden als kleine Prozession zu den Angehörigen geführt und ihnen ein Gästequartier zugewiesen während hinter dem Haus bereits die ersten Schweine für das Essen geopfert wurden.
Die Kinder lernen spielend die überlieferten Rituale und Gebräuche um später die Tradition der Eltern fortzuführen. Neugierig und gespannt warten die Jungs auf einer Anhöhe auf das erste Büffelopfer dieses Tages. Erst wenn der Älteste das Zeichen gibt, dass die Sonne den richtigen Stand hat, erst wenn der Sarg in die richtige Richtung zeigt, wird der Büffel zur Toten blickend geopfert.
Gastfreundlich wurde ich auch diesmal mit Getränken und Mittagessen versorgt. Zur rechten der leicht geöffnete Sarg der Verstorbenen, vor mir das emsigen Zerkleinern des großen Büffels, dessen Horn eben abgetrennt wurde um später als Schmuck und Statussymbol ein typisches Torajahaus zu verzieren.